Was erwarten wir eigentlich?

Habt Ihr Euch schon mal Gedanken gemacht, dass wir gerade Unmenschliches von unseren Kindern und Jugendlichen erwarten?

Im Jahr 2021 veröffentlichte das Deutsche Ärzteblatt einen Artikel mit dem Titel „Coronapandemie: Das stille Leiden der Kinder und Jugendlichen“
Darin werden in Ansätzen die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Kinder und Jugendlichen beschrieben. Ich zitiere mal aus dieser Publikation:

„Einige der Kinder und Jugendlichen, die wir befragt haben, haben einen Appell an die künftige Bundesregierung verfasst“, berichtete Beckmann von der Hochschule Koblenz. „Darin haben sie kritisiert, dass sie nicht gesehen wurden und erklärt, sie hätten sich wie Bürger zweiter Klasse gefühlt. Ich finde es beeindruckend, wie verantwortlich sich Kinder und Jugendliche der Gesellschaft gegenüber gezeigt haben. Und ich finde, dass die Gesellschaft und die Politik diese Leistung bis heute nicht ausreichend gewürdigt haben.“

Wie wird es nach der Coronapandemie weitergehen? „Wir gehen davon aus, dass die psychischen Folgen der Pandemie auch anhalten werden, nachdem die somatische Pandemie vorüber ist“, meint Renner vom Universitätsklinikum Tübingen. „Es ist aber schwer abzuschätzen, ob dies Monate oder Jahre dauern wird. Es wird darauf ankommen, wie wir die psychisch belasteten Kinder und Jugendlichen nach dem Ende der Coronapandemie im Blick behalten und als Gesellschaft die Bereitschaft haben, ihnen auch langfristig zu helfen.“ [Zitat Ende]

Die Pandemie ist aber doch vorbei!??

Ich kann und will „Corona“ nicht mehr hören!

So geht es sicher vielen von uns. Die Pandemie ist vorbei und das Leben soll bitte weitergehen wie vorher. Ich will das Thema in meinem Alltag nicht mehr haben. Der Krieg noch obendrauf – nein Danke! (Siehe dazu auch meinen letzen Blog-Beitrag zur Rheingold-Studie).

Aber ist das wirklich so? Dürfen wir jetzt einfach verdrängen? Wir sind nicht nur für unsere eigene seelische Gesundheit verantwortlich, sondern auch für unsere Zukunft. Wir sind für die Seelen unserer Kinder und Jugendlichen verantwortlich und die brauchen mehr denn je unsere Unterstützung!

Die Nachwehen sind noch lange nicht vorüber. Lehrer-/ Erziehermangel und Unterrichts-/ Betreuungsausfall bleiben ein großes Thema in den Medien und ein größeres in den Familien.

Wir dürfen nicht länger wegsehen!

Wir dürfen bitte von unseren Kindern und Jugendlichen doch nicht erwarten, dass sie einfach so weitermachen, als sei nichts gewesen! Sie brauchen Raum, Zeit und Gelegenheit um ihre Psyche zu heilen. Sie brauchen Angebote, die verarbeiten, nicht verdrängen. Sie möchten – sie müssen gehört werden! Und nicht einfach als schwierige Generation abgestempelt werden. Es darf nicht sein, dass Eltern als erziehungsunfähig abgetan werden. Eltern sind keine Therapeuten und selbst wenn einige es sind, so ist ein Elternteil oft genau nicht der richtige Ansprechpartner für die eigenen Kinder.

Die Gesellschaft und die Politik müssen aufwachen

Wir brauchen mehr Angebote. Programme wie „Ankommen und Aufholen“ sind allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein Tropfen mit dem Politiker sagen können „Aber wir haben….“ und „Schaut mal, wie toll wir sind….“

Wer hinterfragt denn, bei wie vielen betroffenen Kindern diese Maßnahmen überhaupt wirklich ankommen und wie wirksam solche Mini-Maßnahmen sind?

Wir brauchen einen Ruck in der Gesellschaft

Wir müssen umdenken! Wir müssen unsere Zukunft an erste Stelle stellen. Wir müssen mit vereinten Kräften den Kindern und Jugendlichen helfen. Indem wir schwierige Kinder nicht abstempeln. Indem wir allen helfen (auch denen, denen man nichts anmerkt – denn viele leiden still). Aber wie?

Ein ganz einfacher Schritt ist meiner Meinung nach, indem wir Kindern und Jugendlichen eine Lobby geben, eine Stimme, die gehört wird. Sie müssen endlich als wichtiger Teil unserer Gesellschaft gesehen werden. Sie stören nicht – auch nicht in der Öffentlichkeit. Sie brauchen eine Gesellschaft, die sich gesamtheitlich und liebevoll um sie kümmert!

Wart ihr mal im Urlaub mit Kind in anderen Ländern? Habt ihr erlebt, wie die Menschen dort mit Kindern umgehen? Da werden sie liebevoll an die Hand genommen und wertschätzend von teils fremden Erwachsenen durch Situationen begleitet.

Ich war mit meinem damals 8-Jährigen in Ägypten. Wir haben einen Tagesausflug gemacht, der mir im Vorfeld echt Sorgen gemacht hat. 5.00 Uhr Abfahrt vom Hotel, das Programm umfasste den Tempel von Karnak, die Kolosse von Memnon, den Terrassentempel der Königin Hatshepsut und das Tal der Könige, sowie jeweils 5 Stunden An- und Rückfahrt. Zu viel für so ein junges und energiegeladenes Kind?!
Und dann kam der Guide, der uns durch den Tag geleitet hat. Er nahm meinen Sohn an die Hand, ging mit ihm voraus, erzählte ihm spannende Anekdoten zwischendurch, und schaffte es, dass am Abend ein völlig erschöpftes, aber glückliches und seither von Archäologie fasziniertes Kind ins Bett fiel. Schimpfen oder „Sei leise, du störst“ oder irgendwas in der Art war an dem Tag nicht einmal im Repertoire, wo es bei meinem quirligen jungen Mann in Deutschland an der Tagesordnung ist.

Ich habe mit einigen Müttern gesprochen, die meinen Eindruck bestätigt haben. In Deutschland hat man als Eltern oft das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, dass man Kinder hat. Der (ver)alte(te) Spruch „Kinder darf man sehen aber nicht hören“ wird in unserer Gesellschaft extrem gelebt und das muss aufhören.

Kinder sind unsere Zukunft!

Wie ich schon oben zitierte:
„Es wird darauf ankommen, wie wir die psychisch belasteten Kinder und Jugendlichen nach dem Ende der Coronapandemie im Blick behalten und als Gesellschaft die Bereitschaft haben, ihnen auch langfristig zu helfen.“ (Tobias Renner /Universitätsklinikum Tübingen)

Wir sollten sie sehen, hören, lieben und alle gemeinsam für sie da sein und ihnen helfen – gerade jetzt!

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